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Sonntag, 12. Juni 2011

Ihr seid so blind

1. Ich sitze hier, im Wohnzimmer vor dem Pc. Mama, Papa und mein Bruder schauen fern. Die Tränen fließen. Ich unterdrücke das glucksen, das beim weinen entsteht. Mein Blick starr auf den Pc gerichtet, sage ich mir ''hör auf. nicht jetzt.'' Aber ich kann  nicht aufhören. Die Tränen werden mehr. Meine Augen zucken, ich kann es nicht mehr zurück halten. Tropfen für Tropfen landet auf meinem T-shirt.  Mit jedem Ton der Musik wird es mehr. Mit jedem Blick auf dein Profil  wird der Schmerz größer. Ohne jemanden direkt anzuschauen gehe ich an ihnen vorbei in mein Zimmer,  hole meine Schere. Niemand beachtet mich, keiner sieht mein trauerndes Gesicht. Ich setze mich wieder, ziehe zum ersten mal den Ärmel hoch, mache mein Handgelenk frei. Dort ist noch das, was ich mir die Tage davor immer wieder auf's neue raufgeschrieben habe: ''empty''.  Knapp daunter setze ich an. Die Schere ist stumpf. Ich ziehe mehr als 10 mal auf der gleichen Stelle entlang. Das erste mal sehe ich jetzt das Blut. Noch einmal schneide ich, jetzt blutet die ganze 3cm lange Schramme. Es brennt, denn es ist nicht nur ein Schnitt, sondern mehr eine Schürfwunde. Die Tränen werden weniger. Ich stoße einen kurzen Schrei aus, weil ich mit dem Handgelenk an eine Kante gekommen bin. Entsetzt drehe ich mich zu den anderen um. Alle gucken immer noch nach da, wo sie auch vor 10 Minuten hingeschaut haben, auf den Fernseher. Ich senke den Kopf.. Niemand bemerkt etwas.

2. Zusammenbruch. Schnell verstecke ich die Rasierklinge unter einem Stück Papier, das gerade hier auf dem Tisch liegt. Meine Eltern sind nach Hause gekommen. Ganz knapp habe ich geschafft, dass alles wieder normal aussieht. Ich gehe durch den Flur wo sie stehen, um ins Bad zu kommen. '' Na was hast du gemacht während wir weg waren?'' ''Nichts, nur langeweile'' Ohne meinen Kopf zu heben antworte ich meiner Mutter mit einer Lüge. Ich öffne die Tür. Der Geruch von Seife, Haarspray und Deo dringt in meine Nase. Ich gucke in den Spiegel. Bin das wirklich ich? Dieses Mädchen sieht so fertig aus.  Die Schminke verlaufen.. in meinem schönen neuen weißen Tunier T-shirt 2 große schwarze Mascaraflecken. Ich nehme mir ein Tuch, wasche mir das Gesicht. Bis auf die rot angelaufenen Augen ist alles wieder ziemlich normal. Noch schnell das Blut abtupfen, damit keine roten Flecken bleiben. Ich gehe zurück, meine Eltern sind mittlerweile in der Küche, freier Weg für mich. Ich schmeiße das Tuch weg und setze mich. Niemand bemerkt etwas.

3. Wir gehen vorbei und ich seh die Uhren die ich schon länger mal genau sehen wollte dort hängen. Ich gehe auf sie zu, meine Mutter folgt mir. ''Sind die nicht cool?'' ''Ja, nicht schlecht.''  Eine Weile stehen wir davor und gucken, welche Farben es alles gibt.. Die Verkäuferin kommt hinzu. '' Soll ich sie mal rausnehmen? Dann können sie eine anprobieren.'' Ich schaue meine Mutter an und nicke. Die Frau holt eine lila farbende heraus und gibt sie meiner Mutter. ''Mama, gibt her, ich mach sie um'' ''Nein, lass. Ich mach schon'' Sie nimmt mein linkes Handgelenk, legt sie Uhr ran und dreht meinen Arm so, dass sie unterseite oben ist. Erst jetzt fällt mir ein, dass dort ja die ritzer sind. Erschrocken will ich mich losreißen, damit meine Mutter nichts sieht, aber sie hält mich fest. Ungeschickt schließt sie das Armband, nachdem sie glatt 3 min daran rumgefummelt hat ''Sieht doch gut aus. Das Armband ist so schön dünn'' ..Ja dünn. Verdeckt nicht eine einzige Schramme. Aber niemand bemerkt etwas.

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